Ehemaliger "Palast der Republik" weicht einer Wiese.
Nun hat der Bundestag endültig entschieden, ehemals "Erichs
Lampenladen", "Palazzo Prozzo" abreißen zu lassen. Das
"asbestsanierte" Gebäude solle weichen für einen Nachbau der
Fassaden des Berliner Schlosses, in welchem dann das sogenannte
Humboldtforum beherbergt werden soll.
Nun kann man ja verstehen, wenn ein altes baufälliges Gebäude
abgerissen wird, um Platz für etwas neues, besseres zu schaffen.
Das ist der Lauf der Dinge. Dinge gehen unter, Neues entsteht. Aber in
diesem Fall ist das ein bißchen komplizierter.
Die DDR-Führung, genauer Genosse Walter Ulbricht hat das
jahrhundertealte Schloss sprengen lassen, obwohl man es hätte
wiederaufbauen können. Dies geschah aus rein politischen
Gründen. Das "preußische Junkerschloss , die Trutzburg "
widersprach den Werten und der Demagogie des "Arbeiter- und
Bauernstaates", also ließ man es sprengen. Erst mehr als 25 Jahre
später wurde der Palast der Republik an dieser Stelle errichtet.
Bei seiner Eröffnung (1976) war der Genosse Ulbricht seit 2 Jahren
den Weg alles irdischen bereits gegangen - tot.
Nun wollte es die Menschheitsgeschichte so, daß die DDR sich 14
Jahre später auflöste und in die BRD eintrat. Da wusste man
inzwischen, daß Asbest kanzerogen (krebserregend) ist und nicht
in öffentliche Gebäude gehört, gute Brandeigenschaften
hin oder her. So wurden Zirkel, Hammer, Sichel und Ährenkranz
abgeschraubt, in den Giftkeller der deutschen Geschichte gepackt,
zusammen mit Marx- und Leninbüsten. Der Palazzo wurde entkernt und
steht seitdem dem Verfall preisgegeben in der Mitte Berlins herum, als
schäbiges Fossil des (gern benutzt in diesem Zusammenhang)
realexistierenden Sozialismus. So gingen die Jahre ins Land, die Kassen
wurden leerer, die Arbeitslosen mehr, die Telefone kleiner und
billiger, die Autos größer und teurer. Dann ging Birne, es
kam der Gerd. Dann ging der Gerd und es kam Angie.
In der Zwischenzeit nahmen kreative Berliner den Palast in Beschlag und
nutzten ihn als Ausstellungfläche, als Spielwiese für
Künstler. So wurde er ein künstlerisches Zentrum in Berlin.
Er wurde zum echten Palast der Republik. Denn nicht der Bund oder die
Stadt kümmerten sich um die selbstgeschaffene Ruine, sondern
unabhängige Menschen in der gern propagierten Eigenverantwortung.
Von den "Volksvertretern" gern als Freaks und Sentimentalisten verlacht,
nahm sie großartig keiner ernst, denn der böse Palast musste
ja inzwischen weg. Im Jahre 2002 wurde per Bundestagsbeschluss
festgelegt, daß er abgerissen wird für das vage Projekt des
Schlossbaus.
So stritten hin und wieder Leute für den Erhalt des Palastes,
dessen noch funktionstüchtiger großer Saal unter
Denkmalschutz steht, für den Umbau. Sogar für eine
Mischlösung zwischen Palast und Schloss gab es konkrete
Vorschläge. Aber das alles wurde vom Tisch gewischt, für
einen Schlossbau der ca. 800 Millionen Euro soll, dessen Finanzierung
und spätere Nutzung völlig ungeklärt ist.
Da drängt sich die Frage auf ob der Palast nur weg muss, weil er
weg muss, weil ein Mischlösung nicht sein darf, weil nichts an die
DDR erinnern darf? Gerne hat man ja sinvolle Sachen die, die DDR erfand,
schnell abgeschafft, um sie später als bahnbrechend wieder
einzuführen (Grüner Pfeil, 12-Jahre Abitur, Kinderbetreuung,
Polikliniken). Das hat ja ein Unrechtsregime erfunden, deswegen sind
diese Sachen ja auch automatisch schlecht.
Ein weiteres Argument ist die Ästhetische Gestaltung des Berliner
Stadtkerns. Ein solch häßliches Gebäude passt sicher
nicht zwischen Dom und Rotes Rathaus. Aber wenn man sich den neuen
Potsdamer Platz oder gar das Bundeskanzleramt mit seinen grauen,
unbemalten Betonwänden anschaut, kommt man mit Ästhetik in
Berlin nicht weit, die Stadt wimmelt voller Bausünden.
Der Bundestag hat eben nun entschieden, ein lebendigs Kulturforum an
exponierter Stelle der Abrissbirne preiszugeben um dafür eine
lebendige Wiese zu schaffen.
In 10-20 Jahren hat man dann vielleicht genug Geld für die Planung
des Schlosses, dann wachsen auf der Wiese Sträucher und
Bäume. Einen Neubau wird es dann auf Druck der Naturschützer
nicht geben, da der Schlosspark ja ein Teil Berlins geworden ist?!
P.S.: Ich freue mich schon auf Fernsehbilder mit angeketteten Menschen
im Palast und Bagger die rumstehen, Breaking News aus dem Herzen
Berlins, was willste meea, wa?
EF