Zurück

Bundestagswahl 2005 V
Politik und Land in Schockstarre - Koalitionsarithmetik allenthalben

Nun ist es da und keiner kann ihm entrinnen, dem Ergebnis. Alle Parteien haben gewonnen und doch haben die meisten verloren, da ihre Wunschkonstellationen durch das Wählervotum pulverisiert wurden. Die CDU ist die Wahlsiegerin mit einem kläglichen Vorsprung von 0,9 %. Die SPD hat, nach ihrem Verständnis, die Wahl gewonnen, die meisten Stimmen und will weiterregieren. Die FDP ist die einzige klare Gewinnerin mit starken 9,8%. Die Linkspartei.PDS zieht mit starken 8,7 % in den Bundestag ein und ist damit das "Grundübel" für die gescheiterten designierten Koalitionen. Die Grünen verlieren leicht, bleiben aber stabil bei rund 8%.
Die wahren Verlierer sind jedoch die demoskopischen Institute mit ihren Prognosen, die 2 Tage vor der Wahl der CDU/CSU 41-43% vorraussagten und damit kräftig ins Klo griffen.
So verwunderlich aber das Ergebnis, so erschreckend ist die jeweilige Auslegung. Der Kanzler sieht sich als stärkste Partei und will weiterregieren, notfalls in einer großen Koalition unter seiner(!) Führung. Auch Minister Clement behauptete, die SPD sei stärkste Fraktion. So etwas nennt man wohl Realitätsverlust der Amtsinhaber.
Plötzlich heißt es nicht mehr "die Union", sondern man spricht von 2 Unionen. Die Politiker nehmen die Realität war, wie sie ihnen in den Kram passt. Der Kanzler wollte eine Abtimmung über seine Reformpolitik. Die hat er bekommen indem er abgewählt worden ist. Nun erhebt er erneut seinen Machtanspruch. Da klebt scheinbar jemand an seinem Trohn bzw. Stuhl. Anders ist der seltsame TV-Auftritt in der Elefantenrunde nicht zu erklären, in dem sich der (noch) amtierende Kanzler wie einst Helmut Kohl verhielt. Er will das allgemeine Chaos in der Koalitionsfindung scheinbar aussitzen und dann staatsmännisch das Zepter ergreifen und das angeschlagene Deutschland in ruhige See der Globalisierung steuern. Da will offenbar jemand mit der Brechstange ins Geschichtbuch (huch! schon wieder ein Kohl- vergleich).  Von vorneherein zu forden, daß eine große Koalition nur ohne Angela Merkel ginge, ist angesichts des Ergebnisses etwas frech. Als Amtsinhaber in Sicht auf die nicht vorhandene Mehrheit der Gegenseite, die nur durch Intimfeind Lafontaine nicht zustande kam, ist es verständlich, aber unmoralisch. Allerdings in solch einer Situation mit Moral zu argumentieren, kann in der Politik nur ein müdes Lächeln hervorrufen.

Jetzt kann die Demokratie in Deutschland beweisen, daß sie erwachsen ist, das sie fähig ist über ideologische Parteigrenzen hinweg Koalitionen zu schmieden.Sie muß den Menschen zeigen, daß sie in der Lage ist auch mit Parteien zusammenzuarbeiten, die bisher nicht nur der politische, sondern auch der ideologische, gesellschaftliche Gegner waren. Aber um Deutschland aus der Stagnation zu führen und die großen Reformen umzusetzen braucht es eine stabile Regierung. Wer macht, abseits der allseits beliebten Parteitaktik, den ersten Schritt und führt die Parteiendemokratie in diesem Lande auf eine neue Stufe, indem bis vor kurzem als unwarscheinlich gehandeltete Bündnisse geschaffen werden? Wenn das Land wirklich so beschädigt und abgehängt ist in Europa
und der Welt, muß die Parteitaktik zurückstehen und eine zukunftsgewandte Politik gemacht werden. Da ist die Färbung der Koalition nun wurscht.


EF